Kölner Stadt-Anzeiger - Donnerstag, 9. Februar 2023

In seiner großen Vermeer-Ausstellung hat das Amsterdamer Rijksmuseum stolze 28 Werke von insgesamt 37 des Künstlers vereint. Eine "Once-in-a-Lifetime-Show" ist das, schwärmt Katharina Rustler im Standard. Hanno Rauterberg sucht in der Zeit vergeblich nach einem angemessenen Superlativ für diese Schau. Dabei sind die Bilder völlig nichtssagend, es passiert überhaupt nichts, erklärt er. "Vermeer, der Erfinder des Privaten, so wirkt es. Immer weiter zieht er sich in das Streichellicht seiner Innenwelten zurück, nie fällt bei ihm der Blick durch die Fenster ins Freie. Und doch, privatistisch eng wird es nicht. Vermeer weiß seine Kunst zu entgrenzen, trotz des Rückzugs. Denn er öffnet die unsichtbare Wand: die zu uns, dem Publikum. Mal stellt er einen Holzstuhl in seine Bilder, wie eine Aufforderung, doch bitte Platz zu nehmen. Mal legt er ein Cello quer ins Bild, als sollte hier jede und jeder mitspielen. Heute würde man es partizipative Kunst nennen. Sie ist sich selbst genug und wird doch zur Einladung an alle: das Bild zu betreten und sich etwas auszumalen. Hier zeigt sich, was es mit dem Nichtssagenden eigentlich auf sich hat. Nichts zu sagen heißt, dem Unausgesprochenen einen Raum zu geben."

"Es ist faszinierend zu sehen, wie Vermeer die Zentralperspektive ausreizt", schreibt eine hingerissene Kia Vahland in der SZ, "wie er manche Figuren klar konturiert, andere beinahe mit ihrer Umgebung verschwimmen lässt und wie er mit Lichteffekten Stimmungen kreiert, etwa in seiner so entspannten Stadtansicht von Delft. Die Muße, die viele Vermeer-Gemälde ausstrahlen, hat auch damit zu tun: Mit seiner hellen, klug durchkomponierten Farbmalerei, welche die mitunter theatralische Dramatik des Flamen Peter Paul Rubens oder des Italieners Caravaggio für überflüssig erklärt. Die Spannungen, die diese Kollegen ihre Figuren lauthals ausagieren ließen, verlagern sich bei Vermeer gänzlich ins menschliche Innenleben. Und sind nicht minder aufregend."

Weiteres: In der taz erinnert Dominik Baur an Karl Valentin, der vor 75 Jahren starb. Caroline Fetscher resümiert im Tagesspiegel den Abschlussbericht zur Documenta 15. Die Jüdische Allgemeine hat ein kleines Dossier zur Documenta zusammengestellt, darunter auch ein Interview mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die jetzt genug Rückschau hatte. Viel wichtiger sei es doch, "die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Eine muss jedenfalls sein, dass es keine koordinierte Verantwortungslosigkeit geben kann, wie das bei dieser documenta der Fall war. Denn das habe ich im ganzen Verlauf erlebt: Niemand war verantwortlich. Ich fand die Grundidee zunächst spannend, aber man kann keine documenta machen mit einem kuratorischen Konzept, das auf Kuratieren verzichtet, sich der Verantwortung des Kurators nicht stellt."